Ratlos sein. Hilflos sein. Fassungslos sein. Nachdenken.

Den Impuls zu diesem Artikel habe ich gestern auf dem Erdinger Coachingkongress bekommen durch den wunderbaren Andreas Knierim: Bevor sein Workshop begann, äußerte er sich zum Flugzeugabsturz in Frankreich. Er sagte, er wisse nicht, wohin er mit seinen Gedanken und Gefühlen solle. Dass er so fassungslos sei. Und er meinte, an uns Coaches gerichtet: „Wir arbeiten systemisch. Wir wissen, dass wir niemanden aus dem System ausschließen können. Und deshalb können wir aus unserer Trauer über die Opfer auch den Co-Piloten nicht ausschließen!“ Das hat mich tief betroffen gemacht und beeindruckt. Danke, Andreas Knierim!

Und es ließ mich auch heute nicht los. Wir können ihn nicht ausschließen. Das ist eigentlich das, was mich besonders nachdenklich und fassungslos macht: Dieser Mann, der aus welchen Gründen auch immer, 149 Menschen mit in seinen Tod gerissen hat, ist einer von uns.

Durch die Medien geistern heute -zig Spekulationen – vor allem die darüber, dass er wahrscheinlich psychisch krank gewesen sei. Fast kommt es mir so vor, als ob die Menschen insgeheim so sehr hoffen, dass er doch bitte wenigstens psychisch krank gewesen sei! Dann können wir uns nämlich besser von ihm abgrenzen. So, wie wir uns aus anderen Gründen von den Monstern namens IS Terroristen abgrenzen können – oder von psychisch kranken Amokläufern oder von Massenmördern oder oder …

Dann müssen wir nämlich nicht begreifen, dass dieser Co-Pilot ein Mensch war. Vielleicht so gar ein ganz normaler. Vielleicht sogar einer, der eben nicht psychisch krank und damit so anders war. Ein Mensch wie Du und ich.

Das heisst nämlich dann, dass der Mensch zu so etwas fähig ist. Dass alle Menschen zu so etwas fähig sind. Dass WIR Menschen zu so etwas fähig sind. Dass wir da schrecklicherweise wohl niemanden ausschließen können, auch wenn es noch so beruhigend wäre.

Wir müssen uns wohl immer und immer wieder der Tatsache stellen, dass wir Menschen alle eine dunkle Seite haben, unseren Schatten. Den wir nicht sehen wollen. Den wir meist nicht akzeptieren und wegmachen oder ignorieren wollen. Der aber da ist. Wir müssen uns ihm stellen. Und begreifen, dass wir Menschen zu so vielem fähig sind, eigentlich zu allem fähig sind.