Kennen Sie diese neuen Werbekampagne/Plakate der Zigarettenmarke L&M von Philip Morris?
Dort steht u.a. das ziemlich höhnische
Normal kann jeder!
Das soll natürlich suggerieren, dass normal doof ist. Dass wir es besser können…besser, außergewöhnlicher, verrückter, einzigartiger, extravaganter, schnellerhöherweiter – einfach viiiiel toller!
Stimmt. Können wir. Sollten wir auch öfter mal. Um uns aus der einheitsgrauen Masse hervorzutun, weil wir das können. Weil wir wirklich außergewöhnliches zu bieten haben und das dann selbstbewusst zeigen können.
Weil wir uns trauen sollten, zu sagen und zu zeigen: „Ich kann das. Schaut her. Ich bin stolz darauf.“
Das mach ich auch hin und wieder – ich nenne mich zum Beispiel ausgesprochen gerne „Bestseller Autorin“ – weil ichs bin und außerdem saustolz drauf. ;-)
So. Und jetzt kommt mein dickes fettes ABER!
Was, zum Teufel, ist so schlimm an „normal“!??
Als ich ein Teenager war, kanzelte mich mein Vater immer mal wieder ziemlich ab mit der Bemerkung, dass mein Interesse an Kunst ja nicht sonderlich ausgeprägt sei. (Er hat sein ganzes Leben der Bildenden Kunst verschrieben, auch beruflich) Es verletzte mich ziemlich – und erst als Erwachsene wurde mir klar: Mein Kunstinteresse als 15-jährige war völlig normal – so, wie Teenies eben an Kunst interessiert sind.
Oder er meinte süffisant, dass ich es ja wohl nie wirklich zur großen Step-Tänzerin werden würde, wenn ich nur 1x die Woche zum Üben ginge.
Ich wollte nie Weltklasse-Tänzerin werden – ich hatte einfach ein ganz normales Interesse an Steptanz und ging (immerhin über 10 Jahre) 1x die Woche in den Kurs.
Normal kann auch sehr entspannend sein. Ich brilliere vielleicht nicht damit, ich steche nicht leuchtend hervor – aber ich gehöre dazu. Zu den vielen, die sich auch nur normal für Kunst interessieren und nicht mehr. Zu den vielen, die als Hobby gerne steptanzen.
Oder heute als Erwachsene: Ich kann zwar sicher überdurchschnittlich gut Bücher schreiben, coachen, Vorträge halten und kochen :-) (und ich bin mit 1,83 sicher unnormal groß für ne Frau) –
aber ich bin völlig normal, was Klamottengeschmack angeht oder Musikgeschmack, ich bin normal sportlich und normal fremdsprachenbegabt.
Außergewöhnlichkeit, un-normal sein kann auch elendig anstrengend sein, kann großen Druck aufbauen, weil ich ständig was tun muss dafür.
Die ständige Hetze und Suche danach kostet viel Kraft, lässt Sie rast- und ruhelos werden, wenns zuviel ist.
Hin und wieder – kein Problem. Aber nicht als DAS Lebensmotto, bitte!
Außerdem: Außergewöhnlich sind wir sowieso alle – weil wir im wahrsten Sinne des Wortes einzigartig sind. Jeden von uns gibts nur einmal. Jeder von uns hat seine ganz eigene Persönlichkeit, mit seinen Stärken und Schwächen, mit seinen Sonnen- und Schattenseiten, mit Großartigem, Normalem, Schönem und nicht so Schönem, Interessantem und Langweiligem.
Trauen Sie sich, öfter mal normal zu sein!
Ich sag Ihnen: Das entspannt und kann viel Spaß machen!
Ich liebe normal, weil es beruhigend ist. Ein Käsebrot ist normal: Es ist schnell gemacht, erfüllt seinen Zweck und schmeckt gut. Man kann den Käse variieren, dann wird es nicht langweilig. Ich glaube, das lässt sich auf viele Dinge übertragen…
Liebe Bettina,
geradezu ein Plädoyer für die Gründung unseres Kreativverbundes »die gebrauchsgrafiker« vor ca. sieben Jahren.
Der Witz dabei: Das Bekenntnis zur Bodenständigkeit und Normalität ist geradezu außergewöhnlich in der Branche. Kurios, oder?
Meine Mutter sagt gern: »Die sind doch nicht mehr ganz normal.«
Ich sage dann meist: »Nein, Mutti. Wir sind nicht normal.«
;-)
Unverwechselbar wird man nicht durch Äußerlichkeiten, sondern durch seine Innereien.
Sehr schönes Thema!
Schneeflockige Grüße vom Elbstrand
Olli
Da kann ich mich meinen Vorredner nur anschließen, Bodenständigkeit und Normalität sind heute schon wieder fast etwas Besonderes. Wobei Normalität eben auch dem Wandel der Zeiten unterliegt. Ich z.B. mache Kartoffelpüree noch selbst aus echten Kartoffeln… wenn ich mich für Freitag 07:00 verabrede, bin ich um 07:00 da ohne deswegen noch x-mxl hin und her zu smsen…ich habe kein iPad…alles Dinge, die ich als völlig normal empfinde. Für andere ist das wunderlich :-)
Hallo Frau Stackelberg,
als total durchschnittlicher Mensch mit Talenten fürs Außerordentliche, rangiert das Normalsein bei mir sehr weit oben.
Die Tagtraumbewirtschaftung unseres Bewusstseins mit Einbildungsschüben, was das Außergewöhnliche betrifft, gehört natürlich auch zum Leben. Wieder ganz normal.
Wo ich Ihnen unbedingt folgen Kann, ist hier: Der Druck, den die (mediale) Außenwwelt auf uns ausübt, doch endlich und für immer stets außergewöhnlich zu sein, oder die Suggestion, wir seien es längst und hätten es nur noch nicht bemerkt, ist natürlich pathologischer Natur. Das muss man wissen, wenn frau vor die Tür geht.
Beste Grüße!
Volker Remy
Und ich behaupte mal: Nur wer normal ist, kann auch wirklich außergewöhnlich sein, und manchmal liegt im Normalen gar das Außergewöhnliche.