„Gehst Du heute wieder zu Deinen Knackis!?“

Eine Frage, die mir seit etlichen Monaten Freunde öfter stellen. Ja, meine Knackis – das sind zur Zeit 15 Strafgefangene, die zu einem sehr außergewöhnlichen Projekt für 22 Wochen in der Justizvollzugsanstalt Stadelheim in München zusammenkommen.

Leonhard, Unternehmertum für Gefangene heisst das Ganze. Strafgefangene werden von etlichen Experten dafür fit gemacht, sich nach ihrer Entlassung selbständig zu machen mit einer guten Geschäftsidee – sie lernen unternehmerisches Denken und Handeln bis hin zum klassischen Business Plan.
Ich las über Maren Jopen, die Leonhard zusammen mit ihrem Vater gegründet hat, vor längerem in der Presse und lud sie ein, in einer meiner Netzwerkgruppen einen Vortrag zu halten. Das, was sie mit viel Begeisterung und Herzblut erzählte, steckte an!
Ich wollte dort unbedingt ehrenamtlich mitmachen.

Und so entstand daraus eine wunderbare Zusammenarbeit, die jetzt schon im 2.Durchgang stattfindet.

Ich muss ja zugeben: Beim ersten Mal bin ich natürlich bis in die Haarspitzen mit Vorurteilen dort angetreten: Das sind sicher alles finstere Gestalten, denen ich nicht im Dunkeln begegnen möchte.
Nach dem ersten Nachmittag musste ich sehr über mich selbst lachen! :-) Es waren stattdessen nämlich sehr reizende Männer, alle sehr höflich, extrem wissbegierig und aufmerksam bei der Sache. Ich übe mit ihnen Selbstpräsentation, selbstbewusstes Auftreten und souveräne Gesprächsführung.

Und es macht richtig dolle Spaß mit „meinen Knackis“!! Sie waren zum Teil schon richtig heftig weit unten im Leben, haben z.T. jahrelange Drogentherapie hinter sich, haben mächtig viel Dreck am Stecken mit Betrug, Drogen, Gewalt …
und bekommen durch Leonhard eine 2.Chance! Die Chancen auf Resozialisierung steigen durch dieses – im Übrigen von den Europäischen Sozialfonds massiv geförderte und unterstützte Projekt enorm. Die Jungs werden sich ihrer Stärken bewusst (und natürlich – schließlich bin ICH ja dabei :-) – werden sie auch selbstbewusster!), entwickeln unternehmerischen Ehrgeiz, lernen viel über Teamarbeit, Führung, Zielgruppenanalyse, Akquise etc.

Und sie sind sooo dankbar! Schreiben mir so berührende Feedbacks wie: „Wirklich von ganzem Herzen ein DANKE. Man ist es im Gefängnis nicht gewohnt, dass jemand von draußen einem eine Chance gibt. Ihre herzliche Art hat mich sehr berührt. …Es war wie früher als Kind, wo einem gesagt wurde: Steh auf! Alles wird gut!“ oder auch: “ Vielen Dank für ihren aufschlussreichen Unterricht und dafür, dass Sie hier reinkommen, um den Hoffnungslosen ein wenig Hoffnung zu geben!“
Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals in 21 Jahren Selbständigkeit als Trainerin derart dankbare, aufmerksame und lernbereite Teilnehmer gehabt zu haben.
Und außerdem entwickeln sie wirklich verdammt gute Geschäftsideen – die, so ein anderer externer Unterstützer, der jahrelang den Münchner Businessplan Wettbewerb mit geleitet hat, qualitativ bei den oberen 5 % liegen.
Sie lernen durch diese täglichen Unterricht, effektiv im Team zusammenzuarbeiten, sich durchzubeißen, wenns mal langweilig wird und um Kalkulation geht, manche entwickeln mit Sicherheit das erste Mal in ihrem Leben richtigen Ehrgeiz und bauen sich eine Perspektive auf.

Ein Herzensprojekt also, das mich sehr bereichert und beschenkt!

Einer der Jungs antwortete auf meine Frage, warum er bei Leonhard mitmache, folgendes:

„Ich hab mich selbst sehr enttäuscht, aber noch viel mehr meine Familie. Und ich möchte, dass meine Tochter wieder stolz auf mich sein kann!“.

Ja, Jungs: Ihr könnt stolz auf Euch sein! Und ich bin sehr froh, meinen Teil dazu beitragen zu können!

Übrigens: Maren Jopen und ihr Vater suchen immer wieder Referenten für die nächsten Durchgänge, außerdem Gäste für Events (da „spielen“ die Gäste z.B. schwierige Kunden oder Investoren und die Jungs müssen ihre Geschäftsideen gut präsentieren können) und auch dringend Mentoren, die sich nach ihrer Entlassung der Gefangenen annehmen. Wer daran also Interesse hat: Unbedingt melden bei Maren Jopen und ihrem Vater. Mit einem schönen Gruß von mir. :-)

Aktuelle Tagebucheintragungen der Jungs sind auch immer wieder spannend und berührend zu lesen!