Ich bin erschöpft. Sehr erschöpft. Gut erschöpft.

Weil ich viel gegeben habe – ich hab getan, was zu tun war. Erschöpft, weil ich heute viel aus meinem Inneren geschöpft und weitergegeben habe.
Heute war wieder Knast-Day und ich hab mit den Jungs ein ziemliches Experiment gewagt. Es ging um Vertrauen und Selbstbewusstsein.
Hab einfach mal 2 Übungen aus meiner Seminarerfahrung mit der Heldenreise übernommen.
Ja, Wagnis. Wir damals waren selbsterfahrungs-erfahrene, größtenteils in beratenden, heilenden und helfenden Berufen arbeitende Menschen. Die Jungs heute nachmittag sind das nicht. Das sind „schwere Jungs“, die schon ziemlichen Mist gebaut haben in ihrem Leben. (Glauben Sie mir: Wer 10 Jahre bekommt, der hat Mist gebaut!) Die mit so Selbsterfahrungs-Gedöns sicher noch nie allzu viel am Hut hatten.

An meiner Erschöpfung jetzt hinterher kann ich ablesen, wie angespannt ich wohl doch im Vorfeld war. Mir war klar: Ich kann das mit denen machen – sonst hätt ich was anderes gemacht. Mir war klar, dass sie offen sein werden dafür. Mir war klar, dass sie mir inzwischen genügend vertrauen, um sich darauf einzulassen.

Und doch: Das waren hammerintensive 3 Stunden!

Zuerst gings um Vertrauen. Wir redeten erst ein wenig darüber, was Vertrauen jedem einzelnen bedeutet. Viele haben viel Vertrauen verloren, weil sie so oft enttäuscht worden sind. „Trau besser niemandem!“ kam ein paar Mal. Und im Knast ists auch nicht grad leicht, Vertrauen wieder aufzubauen.
Und dann galt es, zu vertrauen.
Zu vertrauen und sich fallenzulassen. Im wörtlichen Sinne. Wir bildeten einen Kreis, einer nach dem anderen kam in die Mitte, schloss die Augen, machte sich ganz steif wie ein Brett…
Und ließ sich nach vorne oder hinten fallen. Und die anderen fingen ihn auf und brachten ihn wieder in die Mitte. Wie ein Pendel.
Und fast alle taten es! Sie vertrauten. Und ließen sich fallen.
Und wollten noch mehr – ganze Kerle eben! :-) Und viele machten danach noch die verschärfte Variante – sie ließen sich rücklings stehend von einem Tisch in die Arme der anderen fallen. Großartig.

Danach kam noch eine andere Übung dran, bei der es darum ging, positive Eigenschaften von Menschen, die ich bewundere, in mir selbst zu finden. Ich wünschte mir und bat darum, die Übung ernsthaft ohne Gelächter mit dem Nachbarn zu machen. Und sie taten es!
Da saßen also 16 gestandene Mannsbilder und waren tief in Gedanken und in Erinnerungen. Ganz still war es. Auch die Gruppenarbeit danach zu viert lief gut. Es war eine Atmosphäre tiefer Konzentration zu spüren – auch wenn sie zwischendurch das Ganze mit viel Gelächter und derben Witzen zu entschärften versuchten, nachvollziehbar!
Ich war so berührt!
16 schwere Jungs dachten nach über sich, erinnerten sich an ihre Helden der Kindheit, ließen sich auf den Gedanken ein, dass auch sie selbst Eigenschaften dieser Helden in sich tragen. Waren auch fassungslos zwischendurch: „Nein, liebevoll bin ich nicht! Das war meine Oma – nein, ich bin das nicht!“
Ich dachte: Hör dir doch zu, wie du über deine Oma redest gerade! So unglaublich liebevoll! Du bist sicher liebevoller, als du es je für möglich halten würdest!
Selbst der allerruhigste in der Runde sagte am Schluss: „Ja, erstaunlich, ein paar Eigenschaften hab ich wohl tatsächlich!“
Und der andere – der, der immer am schnellsten und längsten die Klappe aufmacht: Der sagte viele ziemlich gute Sachen – wir sahen, wie sehr er über all dies nachdachte.
Wenn nur ein winziges Stück von alldem in ihren Herzen hängenbleibt und wächst und Wurzeln schlägt – wie unglaublich viel haben alle dann gewonnen. Wenn sie ein bisschen mehr an sich glauben als zuvor, sich selbst ein wenig mehr vertrauen. Wenn sie begreifen, dass soviel möglich ist – weil sie die Helden ihres eigenen Lebens sein können. Weil sie ihr Leben zu dem machen können, was sie sich erträumen. Weil sie dafür sorgen können, wieder stolz auf sich zu sein. Weil sie es wirklich schaffen können!
Und ich darf diejenige sein, die ihnen diesen Impuls gegeben hat. Die einen Stein ins Wasser geworfen hat, der jetzt Kreise zieht. Und in dem einen oder anderen etwas bewegt hat. Was sich hoffentlich weiterbewegt, sich verwurzelt, wächst und gedeiht.
Das bewegt zu haben, ist schon eine ordentliche Erschöpfung wert, finde ich.

Danke, dass so etwas auch zu mir und meiner Arbeit, meiner Berufung gehören kann!

P.S. Jungs, ich weiß, dass Ihr diese Zeilen drinnen im Knast zu lesen bekommt: Ich danke Euch von Herzen, dass ich mit Euch heute diese Erfahrung machen durfte. Danke, dass Ihr mir so vertraut, Euch so geöffnet und eingelassen habt. Ich bin stolz auf Euch. Sehr stolz. Und erschöpft. Und das ist gut so. Danke!

P.P.S. Werte Leser, damit Sie jetzt nicht glauben: Maaaann, die Stackelberg ist aber schon wirklich sehr emotional und rührselig: Der Nachmittag hat aus meiner Sicht als Coach und Wirtschaftserfahrene heraus durchaus auch einen sehr praktischen, handfesten Nutzen gehabt: Zum einen ists für jeden einzelnen der Jungs jedes Mal ein Gewinn, wenn er mal intensiv über sich und sein Leben nachdenkt. Sehr viele von ihnen haben das mit Sicherheit noch nie wirklich gemacht. Aus Selbstreflexion wächst Eigenverantwortung
. Und zum zweiten: Natürlich wächst auch das Selbstbewusstsein, wenn sie sich mehr und mehr ihrer wirklichen Stärken bewusst werden! Das macht unabhängiger, erhöht die Chance, nach dem Knast sich darauf zu besinnen und Neues, Gutes zu wagen und anzugehen. Sie sehen also: Ja, emotional bin ich – immer und gerne! Aber schon auch bodenständig und handfest!