Angeregt durch einen Artikel in der Karrierebibel von Jochen Mai habe ich mich an einen podcast erinnert, den ich vor längerem mal aufgenommen habe. Da gehts um selbstbewusste Führungskräfte. Der Podcast ist grad verschollen, daher gibts jetzt einfach den Text dazu. :-)

Ich arbeite ja immer wieder mit vor allem jungen Führungskräften, also denen, die in ihren ersten Führungsaufgaben stehen, die vor noch nicht langer Zeit Kollege waren und jetzt Chef sind. Vieles gibt es in den Gesprächen mit ihnen zu entdecken.

Wir sind uns sicher einig darin, dass eine gute Führungskraft selbstbewusst sein sollte, nicht wahr!?

Klingt ganz einfach – ist aber ziemlich komplex.

Ich unterscheide nämlich klar zwischen scheinbarem, nur nach außen aufgesetztem Selbstbewusstsein und echtem Selbstbewusstsein im Sinne von „sich seiner selbst bewusst sein.“ Wenn ich mir meiner selbst bewusst bin, dann kenn ich mich aus mit mir. Ich kenne meine Stärken und Schwächen und ich stehe auch dazu, kommuniziere dies offen.

Eine „echt“ selbstbewusste Führungskraft lässt andere neben sich wachsen. Sie hinterfragt sich. Und sie steht zu ihren Zweifeln und Ängsten.

In der Wirtschaftskrise 2009 und auch heute noch konnten wir in der Presse oft lesen vom überzogenen Selbstbewusstsein jener Manager, die uns die Krise erst eingebrockt haben. Selbstbewusstsein wird hier gleichgesetzt mit Selbstverliebtheit und vermeintlicher Unfehlbarkeit, die an Größenwahn grenzt.

Ein Mensch, der sich überzogenes und nur vermeintliches Selbstbewusstsein auf die Fahne schreibt, hält sich oft für besser, klüger und fähiger als alle anderen. Er führt seine Mitarbeiter nach der Maxime „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir!“. Er zieht sein Selbstbewusstsein gleichsam aus der Abwertung anderer – ich bin nur dann gut, wenn die anderen schlechter sind.

Das erinnert mich ein bisschen an den einen oder anderen Lehrer früher, der sich deshalb gut fühlte, weil er der schlaue Lehrer war und wir die doofen Schüler. Naja, gottlob gab es und gibt es auch noch andere Lehrer. Und andere Führungskräft

Wenn Sie eine selbstbewusste und souveräne Führungskraft sind, wissen Sie , dass es noch andere Gute neben Ihnen geben darf. Sie stellen sich einem fairen Wettbewerb, möchten sich zwar messen, brauchen für Ihr Selbstbewusstsein aber nicht immer den Vergleich mit anderen. Sie fragen sich nicht ständig „Bin ich besser als die anderen? Ist mein Auto größer, meine Frau schöner, mein Wissen umfangreicher?“.

Neulich las ich in einem Internet Forum eine Diskussion zwischen dem Inhaber einer großen, äußerst erfolgreichen Werbeagentur und diversen anderen, die wohl ziemlich neidisch auf den Erfolg des Herren sind und daher ständig stichelten. Unter anderem wollten sie ihn aus der Reserve locken mit der Bemerkung, dass er doch sicher auch nicht allwissend sei und sich sicher auch nicht in allen Bereichen seiner Agentur auskennen würde.

Nun, dieser Schuss ging nach hinten los. Denn dieser in meinen Augen recht selbstbewusste Chef nahm ihnen den Wind aus den Segeln, indem er diesen Punkt gerade NICHT abstritt, sondern im Gegenteil hundertprozentig bejahte. Er meinte: „Selbstverständlich kenn ich mich nicht überall aus. Jeder Texter bei mir textet besser als ich, jeder Grafiker zeichnet besser als ich, jeder Programmierer programmiert besser als ich. Dafür bin ich ein erfolgreicher Chef – ich hol mir die Besten in mein Boot und halte Kurs!“

Eben – ein selbstbewusster Chef muss nicht alles können und auch nicht alles selbst machen. Er kann delegieren, sich auf seine Stärken fokussieren und somit auch seine Mitarbeiter zu Höchstleistung motivieren. Er fördert seine Mitarbeiter genauso, wie er sie fordert. Er fördert sie zum Beispiel durch ehrlich gemeinte Wertschätzung. Und ich meine damit nicht das gönnerhafte auf-die-Schulter-klopfen, verbunden mit einem „Gut gemacht! Weiter so!“ – nein, ich meine eine ernsthafte und nachvollziehbare Anerkennung.  Er scheut nicht den Blick auf Augenhöhe. Ja, und dadurch kanns eben viele Gute geben und nicht nur einen.

Ein weiterer wichtiger Punkt: Eine selbstbewusste Führungkraft hinterfragt sich.

Bitte beachten Sie den feinen, aber für mich ungemein wichtigen Unterschied zwischen „Ich stelle mich in Frage“ und „Ich hinterfrage mich!“.

Merken Sie den Unterschied? Wenn ich mich in Frage stelle, dann agiere ich wenig selbstbewusst – ich stelle mich als ganze Person in Frage. Dann hab ich mein Augenmerk auf meinen Schwächen, auf alles, was ich nicht kann, nicht bin, was besser sein könnte.

Wenn ich mich dagegen hinterfrage, dann bin ich im Großen und Ganzen im Frieden mit mir – im Prinzip passt alles, ich ruhe in meiner Mitte. Weil ich es aber spannend finde und ich mich weiterentwickeln möchte, hinterfrage ich mich ab und zu – mich, meine Motive, mein Denken und Handeln. Dann hole ich mir regelmäßig einen Abgleich zwischen Selbstbild und Fremdbild. Wenn ich mich hinterfrage, schau ich dahinter: Welche Motive treiben mich an, warum handle ich so, entscheide mich für dieses und lasse jenes? Und um möglichst wenig blinde Flecken auf meiner Landkarte zu haben, hole ich mir regelmäßig feedback ein von anderen: Wie wirke ich auf sie, wo sehen sie meine Stärken, wo meine Schwächen?

Außerdem wissen Sie als selbstbewusste Führungskraft, dass Perfektionismus schadet. Sie sind nicht unfehlbar und handeln dann, wenn es an der Zeit ist. Perfektionisten haben Angst vor Fehlern und Niederlagen…… und deshalb warten sie oft zu lange. Sie denken zu lange über die perfekte Lösung nach und kommen nicht ins Tun.

Wenn Sie sich als Führungskraft regelmäßig hinterfragen, haben Sie anderen viel voraus:

  1. Sie merken schneller, wenn Sie sich vergaloppiert haben und können die Notbremse ziehen, den Kurs ändern.
  2. Sie schützen sich selbst vor Größenwahn und sind somit gefeit vor einer realitätsfernen Form der Führung, die oft in den Abgrund führt.
  3. Weil Sie sich für das feedback und die Meinung Ihrer Mitarbeiter interessieren, halten Sie stets guten Kontakt zu Ihren Leuten – sie sprechen mit ihnen auf Augenhöhe. Dadurch haben Sie das Ohr am Puls der Zeit und spüren rechtzeitig, wenn Ihre Mitarbeiter unzufrieden und weniger motiviert sind.
  4. Sie können selbstbewusst zu Ihren Stärken stehen und daraus Kraft und Sicherheit schöpfen.
  5. Außerdem können Sie mit souveräner Gelassenheit auf Ihre Schwächen blicken, sie entweder in Kauf nehmen und Frieden mit ihnen schließen … oder an ihnen arbeiten.

Wenn ich mich hinterfrage, komm ich mir besser auf die Spur.

Und dann kann es passieren, dass ich auch meinen Zweifeln und Ängsten auf die Spur komme. Denn wir sind Menschen und keine Maschinen. Und Menschen haben auch mal Angst, zweifeln an sich und ihrem Weg.

 

Selbstbewusste Menschen wissen dies und stehen dazu.

Wissen Sie, ich wünsche mir mehr Rudis auf der Welt.

Wer Rudi ist? Nun, Rudi ist eine Führungskraft in einem großen Konzern. Ein kerniger bayrischer Schrank von einem Mann, der tagtäglich mit Nutzfahrzeugen, einem großen Betrieb und vielen Mitarbeitern zu tun hat. Ich lernte ihn auf einer Tagung kennen. Wir saßen abends noch an der Bar – wir, das waren Rudi, ich und noch ein paar andere männliche Führungskräfte. Und da begann Rudi zu erzählen: Davon, dass er in seinem letzten Betrieb aufs heftigste gemobbt wurde. Er erzählte von seinem ersten Hörsturz, von seinem zweiten Hörsturz und seinem ununterbrochenen Rennen im Hamsterrad.

Er erzählte davon, wie sich seine Söhne von ihm entfremdeten, wie seine Frau ihm eines Weihnachtsabends ein Ultimatum stellte. Entweder er müsse etwas ändern oder sie würde mit den Kindern gehen.

Da bekam es Rudi mit der Angst zu tun – er ging mit seinem besten Kumpel erstmal 4 Wochen zum Angeln nach Kanada und dachte nach. Er sprach mit seinem Freund viel über seine Ängste, seine Sorgen, er dachte nach und zog Konsequenzen. Nach dem Urlaub kündigte er in seinem Betrieb, sah sich nach etwas anderem um und ist jetzt seit 2 Jahren sehr zufrieden als Betriebsleiter eines mittleren Betriebes. Es geht ihm gesundheitlich besser und seine Familie ist ihm wieder deutlich näher.

Warum erzähle ich Ihnen von Rudi? Sicher, einerseits ist er ein gutes Beispiel dafür, wie man dem burn-out entkommen kann und eigenverantwortlich sein Leben in die Hand nimmt.

Aber etwas anderes ist mir hier viel wichtiger:

Ich fand es damals ungeheuer beeindruckend, wie sehr die anderen Führungskräfte Rudi an den Lippen hingen! Mucksmäuschenstill hörten Sie ihm gebannt zu … und ich sah an ihren Gesichtern, wie es in ihnen arbeitete.  Endlich mal einer (und noch dazu ein Mann!!), der zu seinen Ängsten steht. Endlich mal einer, der davon offen erzählt und nicht meint, Kerle müssen immer mutig und ohne Zweifel sein. „Indianer kennt keinen Schmerz“ – hmm, das gilt vielleicht für Winnetou, aber nicht für den selbstbewussten Mann von heute.

Ja, und deshalb wünsche ich mir mehr Rudis im Geschäftsleben. Selbstbewusste Führungskräfte, die offen zu ihren Ängsten stehen. Dies ist eben gerade KEIN Zeichen von Schwäche, sondern einfach menschlich und letzlich sehr souverän.  Solche Chefs geben ein gutes Vorbild ab, zeigen, wie man mit Krisen, Ängsten und Zweifeln gut umgehen kann. Außerdem sind sie lang nicht so angreifbar wie die vermeintlich Perfekten. Überlegen Sie doch mal, wieviel Energie und Zeit es kostet, seine Ängste um jeden Preis verbergen zu wollen. Ist es da nicht viel klüger, offen und ehrlich zu sagen: Hier weiss ich auch nicht weiter. Natürlich nicht immer und ständig, denn schließlich sollte eine gute Führungskraft in der Regel schon wissen, wo es langgeht.

Keine Sorge, Sie sollen jetzt nicht zum Weichei oder zur Memme mutieren – aber seien Sie Mensch! Und der hat hin und wieder Zweifel und Ängste. Ist so. Punkt.

Mit solch einer Offenheit sind Sie Vorbild, werden Sie nachvollziehbarer, greifbarer, konkreter für Ihre Mitarbeiter. Und außerdem haben Sie auch selbst was davon:

Wer sich mit anderen über Probleme am Arbeitsplatz austauscht, verarbeitet negative Emotionen schneller und besser als der stille Grübler. Das haben Untersuchungen des Psychologen Matthew Lieberman von der Universität von Kalifornien in Los Angeles ergeben.

Also – vielleicht klettern Sie hin und wieder mal auf ihren inneren einsamen Berg und schauen runter auf Ihr Leben. Nehmen Sie sich diese wichtigen Auszeiten, um immer mal wieder Zwischenbilanz zu ziehen: Wo stehe ich? Wo will ich hin? Was treibt mich gerade um? Was freut mich und was ängstigt mich?

Und: Sorgen Sie bitte dafür, dass es mehr Rudis gibt.